Um gleich mal mit einem Schriftstellerklischee aufzuräumen – die wenigsten bis gar niemand meiner Zunft sitzt der Brandung lauschend am Meer, gießt sich Wein hinter die Binde und tippt vor dem Hintergrund eines wärmenden Sonnenuntergangs ein paar Zeilen (die später der Genialität überführt werden) in seine Uraltschreibmaschine.
Das ist ein Trugbild, eine werbewirksame Imagelüge – wir sitzen in halb abgedunkelten Räumen, trinken billigen Schwarztee von Hofer und sind dabei von modernden Wäscheständern umgeben.
Bestenfalls haben wir ein kleines Büro und tippen semi-kausale Gedankenstränge in eine schnöde Computertastatur. Dann überfliegen wir das Geschriebenen, justieren nach und löschen es wieder. Manchmal mehr, manchmal weniger – die Hoffnung wenigstens ein kleines Stück eines Kuchens namens „Publikumsinteresse“ abzukriegen nährt den Motiviationsparasiten. Zwischendurch sehen wir aus dem Fenster, stellen fest, dass der Sonnenuntergang wirklich gnadenlos schön ist – und schreiben weiter. Weils ein Job ist! Weils Termine, Zeitpläne und Outputvorgaben gibt. Für die meisten ists ein sehr schlecht bezahlter Job, den man trotzdem gerne macht, zumal er im Gegenzug ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum mit sich bringt. Solange man also überleben kann (subjektiv, wie man das in der westlichen Welt heutzutage so definiert) – ists ne feine Sache.
Für mich – da ich als Thinktank das ehemalige Kämmerchen meines Schwagers bezogen habe – ist die individuelle Freiheit die eigentliche Motivation des Ganzen. So kann ich mittags zB ungestört mit meinem Hund spazieren gehen. Eine Stunde, zwei Stunden – vielleicht sogar vier wenn ich mich spontan in einen Buschenschank verirren sollte. Arbeite ich hinterher halt bis zwei Uhr nachts weiter – My Biz, My Rules! Niemand stresst, alles gut, solange Qualitäts- und Quantitätsoutput passen.
Also führte ich gestern meinen Hund aus. Am Rückweg spricht uns, auf meinen Vierbeiner deutend, eine Dame mittleren Alters an und fragt mit slowenischem Akzent:
„Is(s)t schen, is(s)t gscheit?!“
Hunderte Gedanken schwirren mir gleichzeitig durch den Kopf. Ist mein Hund schön? Na ja, er ist ein anmutiges Tier aber Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Isst er denn schön? Kommt auf den Maßstab an! Verglichen mit meinem letzten Labrador oder dem durchschnittlichen Kongressteilnehmer einer Wirtschaftsprüfertagung ist er wahrlich ein Ästhet im Range eines Schäfer-Elmayers. Und trotzdem, ich will mich nicht festlegen, antworte daher sinngemäß:
„Weiß nicht, kommt drauf an!“ Die Dame lässt sich damit nicht abspeisen und ergänzt:
„Ja, aber is(s)t gscheit?“
Wieder bin ich überfordert. Ist er denn gescheit? Na ja, Nobelpreisträger wird keiner mehr draus aber welcher Hund, sofern nicht krumm und/oder oberster Befehlshaber der US-Streitkräfte bringt es schon zu einem Nobelpreis? Oder wenigstens einer Fields-Medaille? Sieht trist aus. Auf diesem Schlachtfeld kann wohl kein Hund mithalten, aber vielleicht is(s)t Geschlachtetes der falsche Maßstab. Deswegen ist er bei weitem nicht blöd wenngleich er ohne Kontrolle meinerseits auch Dinge fressen würde, die seiner Verdauung nicht förderlich, demnach schädlich, folglich doch nicht gscheit wären – was mich verunsicherte. Ich antworte also mit – „Teilweise“! Worauf die Sehende kurz überlegte und fortfuhr:
„Dann is(s)t schen und is(s)t gescheit?!“
Vielleicht war dem ja wirklich so. Sieht man sich beispielsweise die heutige Fernsehlandschaft an, liegt der Schluss, dass Kluges durch Schönes abgelöst, bisweilen mit Haut und Haar verspeist wurde, gar nicht so fern. Paris Hilton, Daniela Katzenberger & Co bestechen eben nur marginal-subtil durch Intellekt. In der Politik beobachten wir in der Rubrik „geistige Verkrüppelung“ ähnlich dramatische Entwicklungen! Petra Steger, Laura Rudas, Werner F., KHG- sie alle sind vorwiegend schön aber essen sie auch gscheit, respektive etwas Gscheites? Das lässt sich schwer beantworten, mein Hund zumindest isst gerne Schwein und die „Babes“ sind erwiesenermaßen intelligente Tiere. Ein weiterer Grund gegen Massentierhaltung von Schweinen gilt doch gerade für uns hochentwickelte Säugetriere, man is(s)t was man is(s)t. Mit diesem Erkenntnismehrwert im Gepäck antworte ich also:
„Is(s)t Schweinsohr!“, und gehe nach Hause – mein Kämmerchen wartet.
Michael Nehsl
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